Unter dem Themenschwerpunkt „Connected Worlds“ präsentierten sich etwa 4150 Aussteller aus 68 Ländern auf der weltgrößten Computerfachmesse CeBIT 2010.
Die CeBIT 2010 hat die Tore geschlossen und es ist Zeit für einen ganz persönlichen Messerückblick. Unter den Ausstellern und Besuchern macht sich nach der Bankenkrise vorsichtiger Optimismus breit.
Aber auch sehr nostalgische Rückgriffe auf die Zeit vor der digitalen Vernetzung sind zu beobachten. Der ADAC präsentierte zu diesem Thema, einen VW Käfer der ADAC Straßenwacht, Baujahr 1973 mit 0 Steuergeräten an Bord.
Die in den letzten Jahren zu beobachtende Orientierung der Messe an das Fachpublikum scheint sich überlebt zu haben. Endgültig auf der CeBIT 2011 wird klar zu erkennen sein, dass der bisher von der Messegesellschaft so gerne verschmähte private Verbraucher auch als Produzent auftritt und sich über professionelle Lösungen beraten lassen will. Nicht nur das Web 2.0 macht diese Entwicklung möglich. Blogger, Fotografen, Video- und Podcast-Produzenten bis zu Home-Streaming-Fans brauchen Lösungen für ihre Arbeit und die gegen die digitale Demenz.
Thema Online-Speicher
Die digitale Demenz betrifft jeden Computer Nutzer. Die Festplatte raucht plötzlich ab, das System hängt sich endgültig auf, Trojaner und Viren erzwingen eine Neuinstallation. Wer in solchen Situationen vernünftige Backups hat kann aufatmen.
Mit einer guten DSL Anbindung werden Online-Backups immer attraktiver. Aber leider erfahren die DSL Kunden auf diese Weise schmerzhaft, was es mit dem A im DSL Schriftzug auf sich hat. Das von der Telekom eingeführte Asymmetric Digital Subscriber Line mit seinen stark reduzierten Upload-Raten lässt die Beschickung des Online-Speichers zum Geduldsspiel werden.
Unter dem Dach der ewig schlafenden Webciety in Halle 6 auf der CeBIT präsentierte denn auch Strato seine Version des kostenpflichtigen Online-Speichers als Alternative zu Amazons S3 und der in Google Docs gut versteckten Google Festplatte. Strato hat das ADSL-Problem in Deutschland erkannt und erlaubt auch die Zusendung einer Festplatte zum Überspielen. Die Frage ist nur: Wie lange überlebt Strato?
Thema Netbooks
Die Netbooks waren das Thema der CeBIT 2009. Seitdem hat sich technisch nicht allzuviel geändert, dafür sorgen schon die Auflagen von Microsoft. Dafür gibt es jetzt Netbooks für alle nur denkbaren Gruppen: Business, Kinder, Schüler und Frauen! Das Netbook samt Peripherie als Accessoire?
Bei Microsoft bildeten die Netbooks von Samsung die Basis eines digitalen Klassenzimmers und erschließen so einen nicht enden wollenden Nachschub an Käufern der leistungsschwachen Rechen-Zwerge.
Thema Google Street View
Das Google Street View Projekt steht in Deutschland kurz vor der Veröffentlichung, und schon häufen sich die Proteste der ziemlich verschlafenen Politiker und Datenschützer. Schließlich sind die auffälligen Google Kameras auf den schwarzen PKWs schon überall gewesen und werden nicht mehr gebraucht. Denn ein regelmäßiges Update der Panoramen hat Google nicht vorgesehen.
Also mietet Google kurzentschlossen eine versteckte Restfläche in der Halle 6 hinter der immer noch schlafenden Webciety und lässt 3 ausgemusterte Street View Cars von jungen Künstlern mit Farbe bepinseln. Um sie der staunenden Öffentlichkeit als doch nicht so bedrohliche Kunstwerke zu präsentieren. So stellt sich Google also die Auseinandersetzung mit der aufgescheuchten deutschen Öffentlichkeit vor.
Erwartet hatte ich kompetente Google-Mitarbeiter am Stand, denen ich gerne mal die eine oder andere Frage gestellt hätte, auch zu anderen Google-Themen. Zumindest einige Google Street View Preview Bildschirmplätze um meine Wohnstraße vorab anschauen zu können, ob ich da nicht als Morgenmuffel oder Bierkistenträger mit abgelichtet wurde. Aber nix da. Ein Weltkonzern präsentiert sich mit einer Garage für 3 PKW, das war’s. Die anwesende junge Google-Mitarbeiterin erklärte gerade den Besuchern, man könne mit Google Maps und Street View „ganz dolle Sachen“ machen. Nächster Stand bitte…
Thema Überwachung
Videoüberwachung und RFID sind für die Industrie attraktive Insider Themen der CeBIT. Nehmen wir z.B. mal die kleinen Funkchips aus der RFID Technik. Wenn sich ein großer Automibilkonzern wie Volkswagen die gesamte „Supply-Chain“, also die Lieferkette durchfunken lassen will, mag das ein spannender Aspekt für Ingenieure sein.
Wenn aber ein Bekleidungsunternehmen wie Gerry Weber (die mit dem Rumpelstilzchen in der Chefetage) aus Halle seine gesamte Kollektion mit eingenähten RFID Chips ausrüstet, wird es schon komisch. Spätestens einen Meter hinter der Ladenkasse nach dem Bezahlvorgang sind die Dinger eine Frechheit.
Völlig skurril wird der Einsatz von RFID Chips innerhalb des menschlichen Körpers beim sogenannten „Identity-Tagging“. Einen RFID-Chip mit Injektionsinstrumenten konnte ich in den Vitrinen der Aussteller noch nicht entdecken. Vielleicht hätte ich danach fragen sollen?
Thema Entertainment
Wenn es um das Thema Entertainment geht, muss man auf den Ständen schon genauer hinschauen, um neu konzipierte Streaming-Clients, HD-Speicher und Webradios überhaupt zu entdecken. Da geht man doch lieber zum T-Home Stand und lässt sich in einer Lounge-Atmosphäre ohne Frei-Getränke von der Show von Yared Dibab nieder, in der seine Partnerin auf der Bühne eine Präsentationsleinwand mit zwei Würfeln in den Händen steuert.
Es soll sich hier um das Thema „T-Home Theater“ drehen. Dieses Bild erinnerte mich dann doch mehr an einen Flughafen, wenn ein Flugzeugabfertiger einen Airbus in seine Parkposition einweist. Mehr Arbeit als Theater.
Totgesagte leben länger
Mein Eindruck in den Hallen im Vergleich zum Vorjahr: Trotz reduzierter Ausstellerzahlen war es merklich voller in dem geschrumpften Hallenkomplex. 334.000 Besucher hat die Messeleitung gezählt. Das Besucherinteresse bei den Giganten der Branche war ausgesprochen hoch, auch wenn unklar bleibt, was die Massen bei den Anzugträgern denn überhaupt wollen.
Auch die meist asiatischen Messe-Hostessen in ihren knapp-bemessenen Outfits sind eine aussterbende Art, da sie keine „Give-Aways“ mehr zu verteilen haben. Der Sponsor meiner Eintrittskarte pearl.de machte hier noch eine Ausnahme, ansonsten waren Frauen eher da zu sehen, wo sie auch im Berufsleben zu finden sind: Als kompetente Ansprechpartner auf den Ständen. Will sagen: Die CeBIT als Männerdomäne ist Vergangenheit.
Überblick Dank Fachmesse
Viele glauben, das Konzept der CeBIT in ihrer heutigen Form habe ausgedient. Eine Vielzahl kleinere Messen mit stärkerer Themeneingrenzung werden gewünscht. Als ich auf dem ASUS Stand ein Mickey-Mouse Netbook mit Mausohren an der WebCam entdeckte, hätte ich beinahe zugestimmt.
Aber eine globale Fachmesse dient auch dazu, den Überblick über die Zukunftsmärkte zu behalten, selbst wenn man sich nicht mehr als zugehörig erlebt. Ein Besuch in der Warzone der Gamer-Halle wird das eindrucksvoll untermauern. Nächstes Jahr, vielleicht!